Bild: Universität Koblenz / Inga Wüsthoff - Am Fachtag Demokratie 2025 unter dem Motto „Die Kunst des Widerspruchs: Protestkulturen & Demokratie“ nahmen rund 60 Gäste - Koblenzer Bürger*innen und Universitätsangehörige - teil. Sie hörten vielfältige Beiträge aus Theorie und Praxis. Zudem bestand Gelegenheit, sich mit den Vortragenden sowie im Workshop „In Aktion kommen“ über das Thema Kunst und Protest miteinander auszutauschen.
Inhaltlicher Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass sich Protest – als integraler Bestandteil lebendiger Demokratien – regelmäßig künstlerischer Ausdrucksformen bedient sowie auf eine visuelle Vermittlung, etwa durch Medienbilder, angewiesen ist, um wirksam zu werden. Die Veranstaltung hatte deshalb zum Ziel, die Schnittstellen zwischen Kunst, Protest und Demokratie zu beleuchten.
JProf. Dr. Lisa Beißwanger (vorne rechts) stellt die Radikalen Töchter vor. Bild: Universität Koblenz / Inga Wüsthoff
Nach einer Begrüßung der Gäste sprach Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Neuhaus als Dekan des Fachbereichs Philologie/Kulturwissenschaften ein Grußwort. Darin gab er bereits mit dem Verweis auf Kurt Tucholskys subversive politische Publizistik erste inhaltliche Impulse für die Veranstaltung, darunter Gedankenspiele zu einer kreativen Neugestaltung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals am Deutschen Eck. Darüber hinaus hob er hervor, dass die Veranstaltung die Bemühungen der Universität verdeutlicht, die Kunst als eigenständigen Lehramtsstudiengang in Koblenz wieder zu etablieren.
Prof. Dr. Christian Geulens Vortrag „Wer ist das Volk?“ thematisierte grundlegende Fragen der Demokratiegeschichte. Er beleuchtete anhand historischen Quellenmaterials unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie und die damit verbundenen Konzeptionen von „Volk“, „Bürger*in“, oder „Bevölkerung“. Im Zentrum stand dabei die Aneignung des Volks- und Demokratiebegriffs in Zeiten von Populismus und erstarkenden rechtsradikalen Parteien. Geulen gab zu bedenken, dass die seit 1945 immer wiederkehrende Rede von der gefährdeten Demokratie selbst zur Gefahr für die Demokratie werden kann, wenn Populisten diese Verunsicherung ausnutzen und für sich beanspruchen, die ‚wahre Demokratie‘ zu verwirklichen.
Cosima Schulze berichtete aus der Praxis eines aktuellen Protestprojekts in Koblenz. Als Studentin an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung ist sie an dem Projekt „Abpflastern“ beteiligt, das Kommunen im freundschaftlichen Wettstreit dazu motiviert, Flächen zu entsiegeln und neuen, relevanten Nutzungen zuzuführen. Der Vortrag gab nicht nur Einblicke in dieses Projekt, sondern reflektierte zugleich über die Rolle von Musik im Kontext von Protest und schloss mit dem Vortrag eines selbstgeschriebenen Protestliedes.
Dr. Dorna Safaian widmete sich in ihrem Beitrag der Visualisierung von Protest am Beispiel der iranischen „Frau Leben Freiheit“ Bewegung. Präzise Analysen von Medienbildern und Social-Media-Phänomenen gaben Einblick in die Bewegung und ihre Protestaktionen, wie auch in die vielfältigen Bildstrategien und leisen Protestpraktiken, die dabei zum Einsatz kamen. Der Vortrag verdeutlichte auf diese Weise, wie selbst kleine und alltägliche Protestformen zur Konstituierung einer politischen Gemeinschaft beitragen können, was sonst von Seiten des autoritären Regimes unterdrückt wird. Der Fokus auf Protesten in einem autoritären politischen System stellte sich für eine Konturierung von Protest und visuellen Medien in demokratischen Kontexten als produktiv heraus.
Nach der Mittagspause, die Gelegenheit zum informellen Austausch bot, war der Nachmittag dem Tätigwerden gewidmet. Isabel Gahren und Kasia Wojcik von der Künstler*innen- und Aktivist*innengruppe „Radikale Töchter“ berichteten in ihrem Mut-Muskel-Impuls aus ihrer Praxis, in der Jugendliche mit den Mitteln der Aktionskunst zu einem konstruktiv-politischen Tätigwerden animiert werden. Ein entsprechender Workshop mit Schüler*innen aus Neuwied und Koblenz hatte auf Initiative von Elmar Hermann vom Neuen Kunstverein Mittelrhein (NVKM) in der Jugendbegegnungsstätte im Haus Metternich stattgefunden. In unkonventionellen Formaten, wie einem politischen Speed-Dating, wurde das Publikum in den Vortrag einbezogen.
Darauf folgte ein Impuls des Künstler- und Kuratorenduos Max Weisthoff und Adam Langer, die ihr Projekt „Entfestigung“ vorstellten, mit dem sie durch monumentale Festungsarchitektur geformte öffentliche Orte wieder durchlässig machen und für ein demokratisches, soziales Miteinander öffnen. Das Projekt führen sie bereits seit mehreren Jahren in verschiedenen Städten durch und ließen es im Sommer 2025 auch am Deutschen Eck Station machen. Das Thema „Entfestigung“ diente außerdem regionalen und überregionalen Künstler*innen zur Inspiration, die im Juni und Juli vom NKVM und der AKM in das Festungsatelier auf dem Fort Konstatin eingeladen wurden und ihre Arbeiten im August im Haus Metternich ausstellen werden.
Als abschließender Programmpunkt wurde im World Café die Frage „Wofür lohnt es sich, sich in Koblenz einzusetzen?“ gemeinsam erörtert und über konkrete Anliegen der Teilnehmenden in Koblenz gesprochen. Insgesamt drei Arbeitsgruppen einigten sich jeweils auf ein gemeinsames Thema und arbeiteten konkrete (Protest-)Strategien aus, um ihre Ansätze in die Tat umzusetzen. Dazu gehörte die menschenfreundliche Umgestaltung eines öffentlichen Platzes, die Umbenennung einer Straße, die aktuell einen problematischen Namen trägt, sowie ein Projekt für saubere Flüsse in der Region.
Die Organisation des Fachtags Demokratie lag bei Jasmin Brötz, Transferbeauftragte des Fachbereichs Philologie/Kulturwissenschaften, und JProf. Dr. Lisa Beißwanger, Institut für Kunstwissenschaft der Universität Koblenz. Unterstützt wurde die Veranstaltung durch die Partnerschaft für Demokratie Koblenz im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und durch das Kultur- und Schulverwaltungsamt der Stadt Koblenz. Kooperationspartner der Veranstaltung waren außerdem der Neue Kunstverein Mittelrhein (NKVM) und das Innenstadtmanagement der Stadt Koblenz.