Foto: Stadt Koblenz/Andreas Egenolf
Es ist noch früh an diesem Morgen im Koblenzer Stadtwald. Die Sonne hat sich gerade erst ihren Weg durch die letzten Nebenschleier und durch die Baumkronen gebahnt, während der Wald langsam erwacht. Vogelzwitschern ist vieler Orten zu hören – unterbrochen von einem plötzlichen Trommeln. Es ist die Sprache der Spechte. Doch dieses Trommeln ist speziell, denn es schallt nicht etwa von einem Baum. Vielmehr dröhnt es aus einer Bluetooth-Box.
Manch ein Spaziergänger beäugt Miriam Rosenbach im Vorbeigehen fragend.Doch davon lässt sich die Försterin nicht beirren. Sie nutzt die Zeit im Februar und März dafür, um den Spechtbestand in ihrem Forstrevier Kühkopf näher zu betrachten.
Und dafür ist die Klangattrappe, die sie in den Händen hält und mit ihrem Smartphone bedient, Gold wert. „Die Spechte reagieren auf die aufgenommenen Rufe, die abgespielt werden. Sie fühlen sich dadurch in ihrem Revier gestört. Es könnten zum Beispiel Rivalen sein, die in ihr Revier eindringen, oder Paarungspartner. Wir geben also etwas vor, was eigentlich gar nicht da ist. Deshalb sollte man eine Klangattrappe nur für die Forschung einsetzen“, erklärt die 28-Jährige die Wirkung auf die „Trommler des Waldes“.
Auch am Boden bleibt sie wertvoll: Die Baumkrone mit Spechthöhlen dient als Totholz weiterhin vielen Arten als Lebensraum. Försterin Miriam Rosenbach kontrolliert einen entsprechenden Baum im Koblenzer Stadtwald. Foto: Stadt Koblenz/Andreas Egenolf
Im Rahmen des Programms zur Überwachung seltener Brutvögel der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR) werden die Spechte im Koblenzer Stadtwald systematisch kartiert. Beim Spechtmonitoring wird erfasst, welche Spechtarten vorkommen und wie häufig diese sind. „Dazu wird eine vorgefertigte Route abgegangen, die Jahr für Jahr gleich ist. Dabei werden dann wertvolle Daten zur Artenvielfalt und zur Entwicklung der Waldlebensräume gewonnen. Insbesondere wenig auffällige Arten wie der Kleinspecht würden ohne eine gezielte Erfassung oft unbemerkt bleiben“, sagt Revierleiterin Miriam Rosenbach.
Spechte sind Schlüsselarten in Waldökosystemen. Ihre Präsenz weist auf eine hohe Strukturvielfalt mit Alt- und Totholz sowie Biotopbäumen hin. „Besonders der Mittelspecht, der auf alte Eichenbestände mit hohem Totholzanteil angewiesen ist, und der Kleinspecht, der sich bevorzugt in lichten Eichenwäldern aufhält, profitieren von der naturnahen Bewirtschaftung eines Waldes“, erklärt die Försterin, um noch zu ergänzen: „Der Schwarzspecht, größter heimischer Specht, legt in alten Buchen geräumige Bruthöhlen an, die von zahlreichen anderen Tierarten wie Hohltauben, Bilchen und Insekten als Folgequartiere genutzt werden.“
Mit einer Klangattrappe lockt Försterin Miriam Rosenbach im Koblenzer Stadtwald Spechte an, um deren Population erfassen zu können. Foto: Stadt Koblenz/Andreas Egenolf
Im Stadtwald Koblenz kommen laut Rosenbach zahlreiche für den heimischen Lebensraum typischen Spechtarten vor – vom Kleinspecht über den Mittelspecht bis hin zum Schwarzspecht und Grünspecht. Auch der Buntspecht ist verbreitet, wird jedoch aufgrund seiner Häufigkeit nicht im Monitoring erfasst. Für die Revierleiterin ein gutes Zeichen: „Das zeigt uns, dass unsere naturnahe Waldwirtschaft wirkt:Trotz Holznutzung finden Spechte hier geeignete Lebensräume.“ Die bisherigen Erfassungsdaten würden zusätzlich untermauern, dass die naturnahe Waldwirtschaft im Stadtwald Koblenz einen positiven Einfluss auf die Spechtpopulationen habe.
Neben dem Erhalt der Biodiversität spielt auch die nachhaltige Holznutzung eine zentrale Rolle. „Die naturnahe Bewirtschaftung des Stadtwaldes gewährleistet nicht nur den Schutz wertvoller Lebensräume, sondern auch die nachhaltige Produktion von Holz als nachwachsendem Rohstoff. Holz aus heimischen Wäldern dient als CO₂-Speicher und trägt zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen bei, indem es energieintensive Materialien ersetzt. Durch diese verantwortungsvolle Bewirtschaftung werden sowohl die ökologischen Funktionen des Waldes erhalten als auch eine langfristige Nutzung sichergestellt“, unterstreicht die Försterin.
Spechtlöcher wie dieses sind im Koblenzer Stadtwald an vielen Stellen zu finden. Foto: Stadt Koblenz/Andreas Egenolf
Ein wichtiger Bestandteil dieser Bewirtschaftung ist der Erhalt von Biotop-, Alt- und Totholzbäumen, sogenannten BAT-Gruppen. Diese Baumgruppen, die durch weiße Wellenlinien gekennzeichnet sind, bestehen aus etwa 15 Bäumen pro drei Hektar und verbleiben bis zu ihrem natürlichen Zerfall im Wald. „Sie bieten nicht nur Spechten, sondern auch zahlreichen anderen Tier- und Pflanzenarten wertvolle Lebensräume“, erklärt Miriam Rosenbach.
Das Vogelmonitoring in Rheinland-Pfalz, zudem auch das der Koblenzer Försterin durchgeführte Spechtmonitoring zählt, wird durch ehrenamtliches Engagement getragen. Es ermöglicht nicht nur eine fundierte Datenerhebung, sondern trägt auch dazu bei, Schutzmaßnahmen gezielt weiterzuentwickeln. Weitere Informationen zur Teilnahme am Vogelmonitoring sind unter www.vogelmonitoring-rlp.de/mithilfe verfügbar.