(Fotos: HwK Koblenz (Jörg Diester)) - Präsident Kurt Krautscheid kritisiert Berliner „Wirtschaftsgipfel“ deutlich als Respektlosigkeit gegenüber dem Handwerk / Vergaberecht darf Handwerk als Auftragnehmer nicht abkoppeln
KOBLENZ. Die Vollversammlung ist das oberste Selbstverwaltungsorgan der Handwerkskammer (HwK) Koblenz. Das Parlament des regionalen Handwerks mit rund 22.000 Betrieben besteht aus 48 Mitgliedern und setzt sich zu zwei Dritteln aus Arbeitgebervertretern, zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern zusammen.

Entsprechend ist auch das Präsidium zusammengesetzt: Kurt Krautscheid ist Präsident, Mark Scherhag (beide Arbeitgeber) und Joachim Noll (Arbeitnehmer) sind die Vizepräsidenten. Als politischen Gast konnte die HwK zu ihrer jährlich stattfindenden Vollversammlung Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt begrüßen, die sich kämpferisch wie auch deutlich an die Handwerkerinnen und Handwerker wandte, so in Sachen Bildung. Schmitt kritisierte, dass immer häufiger Schulabgänger nicht ausbildungsfähig seien. Das Leistungsprinzip in den Schulen dürfe nicht zu Lasten der Lernstarken auf Mittelmaß heruntergestutzt werden. Das verschärfe die Fachkräftesicherung, denn auch im Handwerk seien Kenntnisse gerade in Mathematik sehr oft Voraussetzung für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf.

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt setzt sich dafür ein, dass das Sondervermögen des Landes künftig auch für Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz oder Robotik in den überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks genutzt werden kann – im Bild zusammen mit (von rechts) Joachim Noll, Kurt Krautscheid, Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich und Mark Scherhag. - Foto: HwK Koblenz (Jörg Diester)

Umso wichtiger sei die Unterstützung der dualen Ausbildung – auch über eine verstärkte finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand für die Bildungsstätten des Handwerks. Ein zentrales Anliegen der Ministerin ist hier die Sicherung und Stärkung der Innovationskraft des Handwerks. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das Sondervermögen des Landes künftig auch für Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz oder Robotik in den überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks genutzt werden kann“, so Schmitt. „Damit sorgen wir dafür, dass die Aus- und Weiterbildung auf höchstem Niveau bleibt. Gerade die Bildungszentren des Handwerks sind Orte, an denen Zukunft praktisch gelernt wird – vom digitalen Dach bis zum intelligenten Roboterarm in der Metallverarbeitung. Wer dort lernt, steht mit beiden Beinen in der modernen Arbeitswelt.“

HwK-Präsident Kurt Krautscheid ging in seiner Rede auf die wirtschaftliche Lage des Regionalhandwerks ein und schloss auch die Bundespolitik mit ein: „Berliner Wirtschaftsgipfel sind an die Industrie adressiert, was wir als Respektlosigkeit gegenüber dem Handwerk deutlich kritisieren.“ - Foto: HwK Koblenz (Jörg Diester)

Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Debattenkultur forderte die Ministerin einen Perspektivwechsel. „Wir haben ein stückweit verlernt, uns über Arbeit, Erfolge und Verantwortung zu freuen.“ Auch die ganz normalen Dinge dürften im Wertigkeitsempfinden nicht zu kurz kommen. Damit verbindet Schmitt auch „mehr Kraft aus der politischen Mitte heraus“, weg von extremen Sichtweisen.
Die politische Debattenkultur griff Kammerpräsident Kurt Krautscheid aus Sicht des Handwerks auf und fand deutliche Worte für die „Krisengipfel“ der Industrie in Berlin. „Diese sogenannten Wirtschaftsgipfel sind eine Respektlosigkeit gegenüber dem Handwerk! Wir funktionieren offensichtlich zu gut und zu geräuschlos, als dass man uns als wichtigen Teil der Wirtschaft wahrnimmt.“ So werden nun Industriestrompreissenkungen debattiert, die nicht beim Handwerk ankommen werden. Maßstab, so Krautscheid, sei offensichtlich der einzelne Betrieb, „doch ich möchte den Gedanken gar nicht zu Ende führen, wenn 5,6 Millionen Handwerker am Kanzleramt in Berlin anklopfen, um Rettungsmaßnahmen zu besprechen. Und schauen wir auf den jüngsten Konjunkturbericht, gibt es wenig Anlass zur Euphorie und auch die erste Jahreshälfte 2026 wird nicht mit einem nachhaltigen Aufschwung gerechnet. Was wir brauchen, ist ein wirklicher Aufbruch, ein sichtbares wie auch spürbares Engagement pro Wirtschaft – und damit meine ich alle Wirtschaftsbereiche, und nicht einige ausgesuchte, die subventioniert werden!“ Der durch die neue Bundesregierung angekündigte „Herbst der Reformen“ verfällt nun zusehends in einen Winterschlaf, „denn was bisher geschehen ist, löst im Handwerk eher Enttäuschung und Frustration aus“.

HwK-Vizepräsident Joachim Noll sprach für die Arbeitnehmervertreter der Vollversammlung und lobte die gemeinsame Abstimmung des Handwerks hinsichtlich der Forderungen an eine künftige Landesregierung nach der Wahl im Frühjahr 2026. - Foto: HwK Koblenz (Jörg Diester)

Umso mehr lobte Krautscheid das verstärkte finanzielle Engagement pro beruflicher Bildung durch Bundes- wie auch Landespolitik. „Die über Jahre entstandenen Engpässe haben zu einem Sanierungsstau bei den Bildungszentren geführt, der nun aufgelöst werden muss.“ Davon profitiere das Handwerk gleich zweifach – über modernisierte Schulungsstätten wie auch als Auftragnehmer bei den anstehenden Maßnahmen.
Zum Thema Auftragsvergabe wurden wichtige Beschlüsse durch das Handwerksparlament gefasst. „Wir sprechen uns deutlich für den Grundsatz von Teillos- wie auch Fachlosvergaben aus“, fassten Krautscheid und Noll Arbeitsgeber- wie auch Arbeitnehmerinteressen zusammen. „Wenn die Politik hier Änderungen anstrebt, dann bitte über eine Vereinfachung des Vergaberechts, eine Entschlackung und Reduzierung der Anforderungen an die Ausschreibung.“ Die Forderung des Handwerks ist dabei eindeutig: „Generalunternehmen als Auftragnehmer sind keine Lösung, denn sie schnüren das Paket auf, reichen kleinere Aufträge zu weniger attraktiven Konditionen weiter und degradieren so viele Handwerksbetriebe gerade der Bau- und Ausbaugewerke zu bloßen Erfüllungsgehilfen.“ Mit gravierenden Folgen für das Handwerk im Kammerbezirk, „denn rund zwei Drittel unserer Mitgliedsbetriebe können derzeit an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen – dieser direkte Zugang würde massiv eingeschränkt.“ Wenn öffentliche Auftraggeber bei komplexen Vorhaben Unterstützung benötigen, „dürfen Großunternehmen als Generalunternehmer im Sinne der Wettbewerbsneutralität nicht erste Wahl sein“. Für das Handwerk als direktem Auftragnehmer spricht zudem, dass es – anders als die häufig überregional agierenden Generalunternehmer – ein bedeutender Arbeitgeber in der Region ist und Wertschöpfung wie Beschäftigung vor Ort sichert.  Hinzu kommen die Ausbildungsleistungen des Handwerks: „Auch hier stehen insbesondere kommunale Ausschreibende in einer gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Verantwortung“, erklärt die Vollversammlung ihr geschlossenes Abstimmungsverhalten.

Das Parlament des Koblenzer Handwerks besteht aus 48 Mitgliedern und vertritt die Interessen von Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern, trifft somit auch ausgeglichene Entscheidungen im Sinne des Gesamthandwerks. - Foto: HwK Koblenz (Jörg Diester)

Ebenfalls zur Abstimmung stand ein Programm mit Forderungen des rheinland-pfälzischen Handwerks zur Landtagswahl 2026. In fünf Punkten werden darin die wichtigsten Rahmenbedingungen für 56.000 Betriebe und ihre 260.000 Beschäftigten, darunter 18.000 Auszubildende im Land, zusammengefasst. Das reicht von einer Verbesserung der Rahmenbedingungen des Handwerks über den Bürokratieabbau beim Land und den Kommunen, eine Bildungsoffensive, um Fachkräfte zu gewinnen, die Ankurbelung des Wohnungsbaus und die Modernisierung der Infrastruktur bis zur Schaffung kommunaler Investitionsspielräume. „Das sind sehr konkrete Vorschläge, die durch alle wichtigen Handwerksorganisationen des Landes gemeinsam getragen werden“, fasste Krautscheid für die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern, den Landesverband der Kreishandwerkerschaften und den Unternehmerverband Handwerk als Unterzeichnende zusammen.
Zustimmung für das Programm gibt es auch vom Flügel der Arbeitnehmervertreter im Handwerk, für die Joachim Noll in der Vollversammlung insbesondere die Ausbildungsleistungen des Regionalhandwerks heraushob. Betriebe und auch Ausbildungsberatung der HwK arbeiten hier Hand in Hand und leisten im Sinne der Nachwuchsgewinnung erstklassige Arbeit, „wie die Zusammenarbeit zwischen Ehren- und Hauptamt in unserer Kammer, zwischen den Arbeitgebervertretern und uns insgesamt als vorbildhaft gelten darf.“ Noll sprach sich einmal mehr für eine stärkere Tarifbindung im Handwerk ein. „Nur mit Tarifverträgen, die gute Arbeitsbedingungen garantieren, lässt sich motiviertes, gut ausgebildetes und junges Personal dauerhaft an das Handwerk binden. Noch immer wechseln rund 60 Prozent der Fachkräfte in andere Branchen, weil sie dort bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitsbedingungen vorfinden. Um dem entgegenzuwirken, brauche es klare Signale für Tarifverträge, die genau das bieten“, so Noll.
Die Vollversammlung verabschiedete den Haushalt für das Jahr 2026 und bestätigte den klaren Willen der HwK, den Standort Koblenz als zentrale Anlaufstelle zu stärken. Beschlussfassungen zur Bündelung von Leistungen der Ausbildung bis hin zur Betriebsberatung stehen in der nächsten Vollversammlung im ersten Halbjahr 2026 an.