HwK-Vollversammlung: Handwerk reagiert mit konkreten Vorschlägen auf aktuelle Krisen / Leicht positive Entwicklung am Ausbildungsmarkt / Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt fordert Bürokratieabbau und bezahlbare Energiekosten
KOBLENZ. Gerade in herausfordernden Zeiten präsentiert das Handwerk seine Stärken, die Fähigkeit zum Anpacken und Optimismus. Das wurde bei der Vollversammlung der Handwerkskammer (HwK) Koblenz deutlich, die am Dienstag in den Kongressräumen des Mensaneubaus am HwK-Standort August-Horch-Straße stattfand. Kriege, gestiegene Energiekosten, Lieferengpässe, Inflation und Fachkräftemangel haben aktuell direkte Folgen auf die Bevölkerung und die Arbeitswelt. „Momentan antwortet die Wirtschaft sehr unterschiedlich auf die Frage, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist - das ist ja auch eine Mentalitätsfrage“, erklärte Kurt Krautscheid, Präsident der HwK Koblenz, in seiner Rede an die Mitglieder der Vollversammlung. „Das Handwerk positioniert sich da ganz klar: das Glas ist halbvoll! Das heißt nicht, dass wir uns mit der Situation zufriedengeben. Wir werden konsequent daran arbeiten, dass die Füllstände sich deutlich Richtung ,voll‘ verbessern!“ Und genau das geschah bei der Versammlung, die geprägt war von ehrlichen Diskussionen, konkreten Handlungsempfehlungen und positiven Signalen.
Kurt Krautscheid führte als Präsident der Handwerkskammer Koblenz durch die Vollversammlung, der 48 Mitglieder angehören. Foto: HwK Koblenz / Dagmar Schweickert
Das „Parlament des Handwerks“ im nördlichen Rheinland-Pfalz tagt einmal jährlich. Die Vollversammlung ist das oberste Selbstverwaltungsorgan der HwK und besteht aus 48 gewählten Mitgliedern. Zwei Drittel sind Arbeitgeber, ein Drittel Arbeitnehmervertreter. Gemeinsam treffen sie wichtige Entscheidungen für die derzeit 21.778 Handwerksbetriebe im Kammerbezirk. „Damit ist übrigens die Zahl der HwK-Betriebe kontinuierlich gestiegen und um 2.600 höher als noch vor fünf Jahren – ein deutliches Zeichen für die Wirtschaftskraft des Handwerks“, so HwK-Präsident Krautscheid.
Wirtschaftslage und Konjunkturbericht
Als Folge der krisengeprägten Situation mache sich eine „schlechte Stimmung“ in der Gesamtwirtschaft breit, die sich in fallenden Konjunkturdaten und -aussichten zeige. „Dem hält das Handwerk aus dem Kammerbezirk gute Zahlen und Fakten entgegen“, betonte Krautscheid. „Wir liegen weit über dem Durchschnitt bei der Gesamtbeurteilung, auch im Vergleich zu Industrie und Handel!“ So spiegeln sich die Befürchtungen aufgrund der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation in der Herbstumfrage des Handwerks nicht wider: Von 2.800 befragten Betrieben aus dem Kammerbezirk Koblenz melden 86 % (Vorjahreswert im gleichen Zeitraum: 85 %) eine gute oder befriedigende Geschäftslage. „Im Handwerk ist also bislang kein Abschwung erkennbar, wie er in anderen Wirtschaftsbereichen spürbar ist“, so Krautscheid. Dabei sei die Stimmung in den einzelnen Handwerksbranchen unterschiedlich. Die besten Bewertungen im Kammerbezirk geben aktuell die Kfz-Betriebe ab. 91 % dieser Betriebe melden eine gute oder befriedigende Geschäftslage. Abgekühlt hat sich die Geschäftslagebeurteilung hingegen bei den Baubetrieben. Durch hohe Baupreise und gestiegene Zinsen stockt die Nachfrage - vor allem beim Wohnungsbau. Doch auch in diesem Bereich gibt es eine positive Nachricht: Die HwK Koblenz verzeichnet 10 Prozent mehr Ausbildungsverhältnisse in den Bauhandwerken als im Vorjahr. „Ein weiteres starkes Signal aus unserem Kammerbezirk“, wie der Kammerpräsident bekräftigte.
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt sprach sich in einem deutlichen Plädoyer dafür aus, das Handwerk von überbordender Bürokratie zu entlasten. Foto: HwK Koblenz / Dagmar Schweickert
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt: Handwerk muss entlastet werden und handlungsfähig bleiben
Wichtige Forderungen, um das Handwerk stark und sicher durch die Krisenzeit zu führen, nannte die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt in ihrer Rede an die Delegierten: „Das Handwerk muss wettbewerbs- und handlungsfähig bleiben“, betonte sie. Dafür sei es entscheidend, die Betriebe von hohen Energiekosten und bürokratischen Auflagen zu entlasten. „Mit der Entlastung durch eine Stromsteuer auf europäischem Mindestniveau setzt die Bundesregierung den richtigen Schwerpunkt.“ Auch die Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen und erneuerbaren Energien könne dazu beitragen, die Energiekosten zu senken und die Belastung der Umwelt zu minimieren. „Entscheidend sind dabei innovative und bezahlbare Lösungen, von denen auch Handwerksbetriebe profitieren können“, so Schmitt. Ein weiteres Thema, das während der Vollversammlung immer wieder angesprochen wurde, war der dringend notwendige Bürokratieabbau. Daniela Schmitt verwies darauf, dass im Zuge der Bürokratieentlastung Auflagen wegfallen, die die Handwerksbetriebe bisher in ihrer täglichen Unternehmensführung belasten. So sollen 140 Berichtspflichten erlassen werden. „Aber natürlich kommt es jetzt auf die richtige Umsetzung an. Darauf, dass die richtigen Pflichten wegfallen und es nicht bei Ankündigungen bleibt. Ich versichere Ihnen: Ich werde diesen Prozess kritisch begleiten“, versprach Schmitt.
HwK-Vizepräsident Joachim Noll (links), hier im Bild mit dem HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich, sprach für die Arbeitnehmervertreter im Handwerk. Foto: HwK Koblenz / Dagmar Schweickert
Vizepräsident Joachim Noll will Programm „Junges Wohnen“ für Auszubildende nutzen
Joachim Noll, Arbeitnehmer-Vizepräsident der HwK, machte in seiner Rede auf das neue Programm „Junges Wohnen“ aufmerksam. Er warb dafür, diese neue Fördermöglichkeit von Wohnraum für Studierende und Auszubildende auch im Handwerk zu nutzen. Aus dem Programm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen stehen für Rheinland-Pfalz 24 Millionen Euro zur Verfügung, um neuen Wohnraum zu schaffen und bestehenden zu sanieren. Ob Azubi-Wohnheim oder gemeinsame Wohnkonzepte für Studenten und Azubis: Der Arbeitnehmer-Vizepräsident machte sich dafür stark, das Programm zur Kofinanzierung von Unterkünften zu nutzen. „Es wäre doch schade, wenn von der Politik bereitgestelltes Geld nicht genutzt würde für ein Anliegen, das uns am Herzen liegt und mit dem wir uns bei der Planung des Campus Handwerk lange beschäftigt haben.“ Der Arbeitnehmer-Vizepräsident der HwK unterstrich außerdem, dass die Tarifbindung im Sinner geordneter Arbeitseinkommen ein wichtiges Ziel bleibe. Auch die Arbeitgeber profitierten davon, weil gute Arbeitsbedingungen ein mögliches Werkzeug im Kampf gegen den Fachkräftemangel seien.
Steigende Ausbildungszahlen und offene Lehrstellen – Junghandwerker als Bundessieger
Die Fachkräftesicherung ist eine der dringendsten Aufgaben für das Handwerk. Dazu stellte Kammerpräsident Kurt Krautscheid die aktuellen Zahlen vor: „Im Bezirk der HwK Koblenz haben wir 3.003 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse. Das entspricht einem Plus von 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz dieser positiven Entwicklung sind noch mehr als 900 freie Ausbildungsplätze für 2023 gemeldet.“ Krautscheid freute sich gleichzeitig, ganz aktuelle und sehr positive Nachrichten über die Nachwuchshandwerker des Kammerbezirks überbringen zu können: „Wir haben gerade eben vom Zentralverband des Handwerks einen Zwischenstand zu unseren Teilnehmern bei der ,Deutschen Meisterschaft im Handwerk‘ erhalten und freuen uns über acht Bundessieger aus dem Koblenzer Kammerbezirk, die den ersten Platz erreicht haben. Das sind hervorragende Ergebnisse. Wir sind sehr stolz auf die Leistungen unserer Handwerksjugend, die gleichzeitig ein Beweis sind für die hohe Qualität der Ausbildungsarbeit in unseren Betrieben!“
Die 48 Mitglieder der Vollversammlung, die sich sowohl aus Arbeitgeber- wie auch Arbeitnehmervertretern des Handwerks aus dem Kammerbezirk zusammensetzt, verabschiedeten wichtige Entscheidungen für die „Wirtschaftsmacht von nebenan“ im nördlichen Rheinland-Pfalz. Foto: HwK Koblenz / Dagmar Schweickert
Handwerk braucht Bürokratieabbau – Wirtschaftsstrom- statt Industriestrompreis gefordert
Auch wenn das Handwerk sich stark und selbstbewusst gegen die Krise stemmt, so braucht es doch Unterstützung, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit Blick auf die Energiekosten stellte HwK-Präsident Krautscheid daher klar: „Wir brauchen keinen Industriestrompreis, sondern einen Wirtschaftsstrompreis!“ Er kritisierte deutlich, dass der politische Fokus zu sehr auf Großunternehmen liege und nicht auf kleinen Unternehmen wie den über einer Million Handwerksbetrieben in Deutschland. Eine weitere klare Forderung an die Politik zielte auf die überbordende Bürokratie ab, die die Handwerksunternehmen immer stärker belastet. „Wir brauchen endlich einen Wandel! Der Ansatz, dass für jede neue bürokratische Regelung eine alte abgebaut wird, war richtig, wird so aber nicht umgesetzt. Regelwerke ufern stattdessen immer mehr aus, oft an jeglicher Praxis vorbei“, ärgerte sich Krautscheid. Als ein Beispiel nannte er das neue Lieferkettengesetz. „Die Nachweispflicht trifft indirekt auch kleine Betriebe, wenn sie als Auftragnehmer nachweispflichtiger Unternehmen tätig werden. Hier wäre mehr Fingerspitzengefühl wünschenswert, welche Dokumentationspflichten wirklich wichtig sind.“ Die Politik müsse sich ernsthaft die Frage stellen, ob es notwendig ist, „jeden noch so entfernten Sachverhalt detailliert zu regeln und damit das Korsett des wirtschaftlichen Handlungsspielraums der Betriebe noch enger zu ziehen.“
KI im Handwerk als neues, spannendes Werkzeug nutzen
Mit Blick in die Zukunft ging der HwK-Präsident gern auf die Chancen ein, die Künstliche Intelligenz (KI) auch im handwerklichen Bereich bietet. „KI ist bereits Teil des Handwerks und wird in vielen Aktivitäten der HwK aufgegriffen, ob bei unserem KI-Frühstück, bei Hackathons oder in der Digitalisierungsberatung unserer Betriebe.“ Schon jetzt sei sichtbar, welches Potential in der KI stecke. „Wir sollten sie sachlich bewerten und keine Angst haben, sondern sie aktiv in den Betrieben nutzen, um Prozesse zu straffen.“ Mit einem Augenzwinkern schlug er hier den Bogen zu lästigen Dokumentationspflichten: „Die KI löst Aufgaben in Sekundenbruchteilen, für die wir als Menschen Stunden oder Tage benötigen - so bekommen wir vielleicht auch bürokratische Vorgänge schneller in den Griff.“ Letztlich sei die KI eine weitere Transformation, die das Handwerk von jeher gut mitmache. Krautscheid war sich sicher: „KI wird uns im Handwerk nicht ersetzen, sondern unterstützen – sie ist künftig eins unserer über 13.000 Werkzeuge im Handwerk!“