In der Debatte über den Abbau von sozialen Errungenschaften kommt mir viel zu kurz, dass die schwarz-rote Koalition Sozialleistungen als das bezeichnet, was sie sind, nämlich Errungenschaften, die den sozialen Frieden in diesem Lande auch sichern. Stattdessen erleben wir in der öffentlichen Diskussion eine Entwicklung, die schon unter dem Kanzler Gerhard Schröder verheerende Folgen insbesondere für die Sozialdemokratie hatte. Menschen, die darauf angewiesen sind, vom Staat unterstützt zu werden, werden als faul oder Schlimmeres bezeichnet und stigmatisiert. Die SPD, der ich angehöre, darf auf keinen Fall erneut den Fehler machen, wie seinerzeit mit der Agenda 2010, den Schwachen in dieser Gesellschaft noch einmal ins Gesicht zu schlagen.
Johannes Rau, der grosse Sozialdemokrat und spätere Bundespräsident, traf den Nagel auf den Kopf, als er der SPD empfahl, sich wieder als Schutzmacht der kleinen Leute zu verstehen. Es führt kein Weg daran vorbei, die Lasten gerechter zu verteilen, also diejenigen, die starke Schultern haben, mehr zu fordern als die Schwachen. Darum verbietet es sich für die SPD, in der Koalition Kompromisse einzugehen, wie etwa im Gesundheits- und Sozialbereich, die zu Lasten der Kranken und Pflegebedürftigen gehen. Doch die von der Union geplanten Kürzungsorgien im Sozialen laufen darauf hinaus, dass immer mehr Menschen ihr Vertrauen in die Bundesregierung verlieren. Der einzige Profiteur dieser fehlgeleiteten Politik werden die Braunen von der AfD sein, was kein Demokrat ernsthaft verantworten kann. Mein Appell an die Union und die SPD lautet daher, sich sowohl auf christliche als auch soziale Grundüberzeugungen zu besinnen und sich mit einem für die Mehrheit der Menschen attraktiven Angebot sozial und christlich zu profilieren und damit reinen Gewissens vor die Wählerinnen und Wähler zu treten. Diese Koalition ist zum Erfolg verdammt und sollte sich daher gegen falsche Ratgeber aus dem Wirtschaftsbereich, die nur ihren Proit im Sinn haben, durchsetzen. Das heisst, CDU und CSU sollten auf die Sozialausschüsse in der Union hören und die Sozialdemokratie sollte auf ihren linken Flügel zugehen.