Hallo Ihr Lieben,
heute mal ein etwas anderer Blick auf unsere schöne Stadt, inspiriert von diesem Foto vom Deich aus. Ich habe mich gefragt: Was würde der alte Scherjer-Brunnen wohl denken, wenn er uns heute so beobachtet? Hier ist seine Geschichte...
Was der alte Scherjer heute so denkt
Manchmal, wenn die Sonne genau richtig auf meinen steinernen Buckel scheint und das Wasser um mich herum leise plätschert, dann blinzle ich ein wenig. Natürlich nur, wenn keiner hinsieht. Und was ich da sehe, das ist schon ein Schauspiel.
Da stehe ich nun, in der Mittelstraße, ganz nah am Deich, und soll an die schwere Arbeit von damals erinnern. An den Bims, der uns den Rücken krumm und die Hände rissig gemacht hat. An die Karren, die wir bei Wind und Wetter durch die Gassen geschoben haben, für ein paar Münzen, die kaum für das Nötigste reichten.
Und heute? Heute schaue ich vom Deich aus in diese Straße und sehe... schwere Arbeit. Ja, wirklich! Die Leute quälen sich mit riesigen Eisbechern, die kaum auf die kleinen Löffel passen. Sie stöhnen unter der Last, sich zwischen Latte Macchiato und Cappuccino entscheiden zu müssen. Ein hartes Los.
Ich sehe sie auf den Stühlen vor den Cafés sitzen, die Gesichter in ernste Falten gelegt. Worüber sie wohl reden? Bestimmt über die Mühsal des Lebens. Vielleicht ist das WLAN mal wieder langsam oder der Milchschaum nicht ganz perfekt. Manchmal höre ich Wortfetzen über den Lärm der Stadt – "alles zu teuer", "nichts los hier", "früher war alles besser".
Da muss ich innerlich schmunzeln. Früher? Liebe Leute, wenn ihr wüsstet. Wenn ihr nur einen Tag meine alte Karre schieben müsstet, voll beladen mit Bims, dann würdet ihr dieses Eis, diesen Kaffee und diese weichen Stühle wahrscheinlich auf Knien anbeten.
Aber fair ist fair, ich sehe auch die anderen. Ich sehe das junge Paar, das sich über einen Witz kaputt lacht und die Hände über den kleinen Tisch hinweg nicht loslässt. Ich sehe die Oma, die ihrer Enkelin geduldig das Eis vom Kinn wischt, beide mit einem Lächeln, das wärmer ist als die Mittagssonne. Und ich sehe den Mann, der allein auf einer Bank sitzt, die Augen geschlossen hat und einfach nur den Moment genießt. Sie alle sehen ihr kleines, perfektes Glück. Und das ist ansteckend, selbst für einen alten Stein wie mich.
Ich genieße also die ganze Show. Das Geplapper, das Lachen, das Plätschern meines Brunnens und das bunte Treiben einer Stadt, die vergessen hat, wie schwer das Leben sein kann. Und wisst ihr was? Das ist vielleicht auch gut so.
Jetzt muss ich aber Schluss machen. Da kommt wieder einer und will ein Foto von mir machen. Also, ernste Miene aufsetzen und so tun, als wäre ich nur aus Stein. Man hat ja schließlich seinen Ruf als Denkmal zu wahren.
Ich hoffe, dieser kleine Ausflug in die Gedankenwelt eines Neuwieder Originals hat euch gefallen und wünsche euch einen wundervollen Tag!