Anlässlich des 100. Geburtstages des ersten Landrates von Mayen-Koblenz blickt der Landkreis auf das Vermächtnis des im Jahr 2020 verstorbenen ehemaligen Kreischefs
25.07.2025 PD-Nr. 222-2025 Fotos: Kreisverwaltung MYK
KREIS MYK. „Mein Herz schlägt immer noch für den Landkreis“ – kaum ein Zitat beschreibt die innige Verbundenheit von Dr. Georg Klinkhammer mit Mayen-Koblenz treffender. Am 22. Juli 2025 hätte der erste Landrat des Landkreises seinen 100. Geburtstag gefeiert – fünf Jahre nach seinem Tod im Jahr 2020. Mit historischem Abstand blickt der Landkreis Mayen-Koblenz voller Anerkennung auf das Lebenswerk eines Mannes zurück, der als „Geburtshelfer“ für MYK das scheinbar Unmögliche möglich machte. Über Parteigrenzen hinweg formte Klinkhammer aus zwei misstrauisch beäugten Altkreisen eine Einheit und prägte den jungen Landkreis durch Visionen, Beharrlichkeit und unermüdliches Engagement nachhaltig.
Fotos: Dr. Georg Klinkhammer – hier bei der Weinlese 1986, bei seinem 90. Geburtstag 2015 sowie bei der Einweihung des Riedener Waldsees und auf dem Nürburgring 1982 – war der erste Landrat des neu gebildeten Landkreises Mayen‑Koblenz. Vom 7. November 1970 bis 1989 prägte er die Region maßgeblich. Fotos: Kreisverwaltung MYK
Architekt der Einheit und Modernisierung
Herbst 1970: Ministerpräsident Helmut Kohl hatte soeben die Gebietsreform in Rheinland-Pfalz durchgesetzt – doch vielerorts schlug ihm Ablehnung entgegen. In genau diesem Klima erhielt Georg Klinkhammer den Auftrag, aus den Kreisen Mayen und Koblenz-Land etwas Neues zu schmieden. „Dann mach’ ich das“, lautete Klinkhammers knappe Zusage an Kohls Abgesandten. Was folgte, galt vielen als Wunder: Mit klaren Vorstellungen, scharfem Verstand und dem Mut zur Entscheidung überzeugte der zuvor fremde Verwaltungsjurist selbst skeptische Kreistagsmitglieder. „Was er beschloss, das galt – und das setzte er durch“, hieß es anerkennend über seinen Führungsstil. Schon bald rückten die Menschen in Mayen-Koblenz zusammen, alte Gräben schlossen sich. Aus zwei Behörden formte Klinkhammer eine moderne Kreisverwaltung, die er vom Provisorium in hell und zweckmäßig ausgestattete Büroräume und einen bürgernahen Dienstleistungsbetrieb im neuen Kreishaus in Koblenz überführte. Er setzte auf gut ausgebildetes Personal, technische Erneuerung und Eigenverantwortung in den Amtsstuben. Nicht auf jeden Wink von oben zu warten, sondern selbst Lösungen zu suchen, war seine Devise – für die Bürger, für alle Mayen-Koblenzer. So wurde aus dem Retorten-Kreis binnen weniger Jahre ein effektives Gemeinwesen, das als „Flaggschiff der Landkreise in Rheinland-Pfalz“ bewundert wurde.
Wirtschafts- und Tourismusförderer mit Weitblick
Klinkhammer wusste: Die Zukunft der Region liegt in ihrer wirtschaftlichen Stärke. „Wirtschaft schafft Arbeitsplätze, Wirtschaft schafft Steuerkraft, Wirtschaft sichert Zukunft“ – dieser Grundsatz prägte sein Handeln. Konsequenterweise gründete er bereits 1971, kaum ein Jahr nach Amtsantritt, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein. Dieses seinerzeit neuartige Instrument sollte gezielt Unternehmen ansiedeln und unterstützen.
Ebenso zielstrebig kümmerte sich Klinkhammer um den Tourismus, den er als wirtschaftliches Standbein erkannte. Verwaltungsleute „sollen plötzlich Touristik machen – das steht doch gar nicht im Lehrplan!“, scherzte er später über die Ausgangslage. Seine Lösung: 1972 etablierte er mit der Rhein-Mosel-Eifel-Touristik (REMET) einen eigenen Tourismus-Zweckverband. Mit spezialisiertem Personal und frischen Konzepten brachte die REMET in den folgenden Jahren den Fremdenverkehr spürbar voran. Schon in den 70ern bot ein REMET-Bus „Wandern ohne Gepäck“-Touren an und kutschierte Stammtische von Koblenz aufs Land zu Weinproben und Tanzabenden. Klinkhammer ließ Wanderhütten – etwa die Wacholderhütte in Langscheid – errichten, wo Ausflügler rasten oder übernachten konnten. Zug um Zug wurden Gasthäuser und Hotels modernisiert, teils mit Zuschüssen des Kreises, um den Standard anzuheben (etwa damit Toiletten nicht mehr auf dem Flur, sondern in den Zimmern waren). Was Anfang der 70er belächelt wurde, erwies sich als goldrichtig: „Damals wurden wir schief angeschaut. Heute ist die REMET eine Selbstverständlichkeit. Ich würde das wieder so machen“, resümierte Klinkhammer später stolz. Die REMET entwickelte den Landkreis zu einer Qualitätswanderregion und landete mit den Traumpfaden – einem Netz prämiierter Premium-Wanderwege – ihren größten Coup.
Neben Wirtschaft und Tourismus lagen dem Jubilar stets die kleinen Gemeinden am Herzen. Tatsächlich förderte Klinkhammer strukturschwache Orte mit Nachdruck – sei es durch den Ausbau der Wasserversorgung im ländlichen Raum oder die Unterstützung örtlicher Feste und Initiativen. Er gilt auch als Vater der Erfolgsgeschichte Riedener Waldsee: Aus einem brachliegenden Gelände in der Verbandsgemeinde Mendig wurde unter seiner Ägide ein attraktiver Freizeitsee entwickelt, der heute Touristen wie Einheimische anlockt. Klinkhammers Handschrift zeigt sich ebenso im kulturellen Leben: Gleich 1970 rief er eine Kreismusikschule ins Leben, um jungen Menschen im ganzen Kreis musikalische Bildung zu ermöglichen. Viele dieser Projekte waren ihrer Zeit voraus und sind inzwischen aus Mayen-Koblenz nicht mehr wegzudenken – Erfolgsgeschichten, die auf Klinkhammers Fundamenten gewachsen sind.
Beharrlichkeit, Bürgernähe und bleibende Erinnerung
Was machte Georg Klinkhammer so erfolgreich? Weggefährten nennen eine seltene Mischung aus Durchsetzungskraft und Menschlichkeit. Trotz seines straffen Führungsstils blieb er stets ansprechbar für Bürger wie Mitarbeiter. Er suchte den direkten Kontakt und hatte ein feines Gespür für Stimmungen in „seinem“ Landkreis. Früh sorgte er dafür, dass die Kreisverwaltung öffentlichkeitsnah agierte. Auch lud er die Menschen buchstäblich zum Tanz: Ab 1973 war der Kreisball „Der Landkreis tanzt“ (später „Ball des Sports“) jährlich ein gesellschaftliches Highlight, bei dem Bürger gemeinsam feiern konnten. Stars der Unterhaltungsszene gaben sich die Ehre, doch im Mittelpunkt stand Klinkhammers Idee, das Wir-Gefühl zu stärken – ungezwungen bei Wein, Musik und Tanz. Typisch Klinkhammer: Menschen, die sich vorher fremd waren, brachte er an einen Tisch – und ließ sie tanzen.
Selbst Jahrzehnte nach seinem Abschied aus dem Amt blieb Dr. Gerog Klinkhammer. „Aus den Augen, aus dem Sinn“? Nicht in seinem Fall. Noch 15 Jahre nach seiner Pensionierung strömten Hunderte Gäste zu seinem 80. Geburtstag ins Kreishaus, darunter Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Man schätzte den Austausch mit dem Altlandrat, der mit funkelndem Geist und selbstironischem Humor Gesprächspartner begeisterte. Inzwischen war Dr. Klinkhammer Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse (1986 verliehen) und Berater für den Verwaltungsaufbau in Ostdeutschland – doch im Herzen blieb er stets dem eigenen Kreis verbunden. „Einmal Landrat, immer Landrat“, würdigte Nachfolger Dr. Alexander Saftig den Jubilar augenzwinkernd zu dessen 90. Geburtstag. Tatsächlich fühlte Klinkhammer sich auch als Ruheständler „zu Hause“ in den Amtsfluren und freute sich, wenn ehemalige Mitarbeiter ihn erkannten und freundlich begrüßten. „Das bestätigt mir, dass ich nicht alles falsch gemacht habe“, sagte er bescheiden. Sein eigenes Fazit jener 19 Amtsjahre fiel ohnehin dankbar aus: „Es war die beste, befriedigendste Zeit in meinem Berufsleben“, erklärte er an seinem 90. Geburtstag im Jahr 2015.
Dr. Georg Klinkhammer starb am 9. Juni 2020 im Alter von 94 Jahren. Doch sein Vermächtnis ist lebendig. Auch 100 Jahre nach seiner Geburt und 35 Jahre nach seinem Abschied aus dem Kreishaus bleibt Klinkhammer unvergessen – als Visionär, Gestalter und Seele des Landkreises, für den sein eigenes Herz bis zuletzt schlug.