Zur Ermordung Charlie Kirks erklärte Donald Trump: „Unser größter Evangelist für amerikanische Freiheit wurde unsterblich. Er ist jetzt ein Märtyrer für die amerikanische Freiheit“. Ein Märtyrer ist historisch gesehen jemand, der bereit ist, für seinen Glauben zu sterben. Aktuell wird „Märtyrer“ indes vorzugsweise von politisch-extremistischen Gruppen missbraucht, um Gewalt zu legitimieren. Man denke an die Verherrlichung des Terrors islamistischer Attentäter, die ja auch bewusst als Selbstmordattentäter handelten und gewagte Annahmen über ihr Leben nach dem Tod hatten. Aber Charlie Kirk, Vater zweier kleiner Kinder, wollte überhaupt nicht sterben, das heißt, kein Märtyrer sein.
Die ersten Hinweise deuten in die Richtung, dass der Täter sich durch Kirks Angriffe auf Nichtheteronormative wegen seines eigenen Partners verletzt fühlte und ihn, ohne einen ausdrücklichen politischen Hintergrund zu haben, ohne politisch vernetzt zu sein, durch die Erschießung stoppen wollte. Charlie Kirk war eine ambivalente Person: Er äußerte sich extrem, rassistisch, bezeichnete Abtreibung gar als schlimmer als den Holocaust, war also ein Provokateur, für viele eine Zumutung, aber er suchte auch den Dialog, die gewaltfreie Auseinandersetzung mit Konträrdenkenden. Er hatte also zwei Facetten, so dass Ambiguitätstoleranz als Fähigkeit, Mehrdeutiges und Widersprüchliches auszuhalten, beim Blick auf ihn gefordert ist. Insofern ist es doppelt erbärmlich, wenn Donald Trump ihn als „Märtyrer“ letztlich verhöhnt und außerdem seinen Tod instrumentalisiert, um grenzüberschreitend gegen politische Gegner vorzugehen. Zudem hat der offenbar nur kurzzeitig suspendierte Jimmy Kimmel in seiner Late-Night-Show entlarvt, wie wenig Mitgefühl in Wirklichkeit Trump wegen Kirks Tod hat. Nach Worten der Kondolenz für Charlie Kirk gefragt, sagte Trump lediglich einen Halbsatz und redete dann über die Trucks, die gerade zum Bau seines Ballsaals gekommen waren.